Es kommt immer anders, als man denkt
Das Schicksal schreibt manchmal seine eigenen Regeln.
Da in der Firma meines jetzigen Arbeitgebers im Moment Flaute herrscht, entschied ich mich, nach Swan Hill zu fahren. Es war Anfang Juni und in Melbourne wurde es bereits etwas kälter. Die schwache Auftragslage wollte ich also nutzen, um auf einer Farm – genauer gesagt einer Schaffarm – meine Farmdays etwas zu vervollständigen.
Swan Hill ist größer, als man zuerst vermuten mag. Immerhin leben hier 10.000 Menschen. Die Stadt liegt etwa 340 Kilometer nordwestlich von Melbourne am Murray River. Der Fluss ist 2375 Kilometer lang und somit der zweitlängste Fluss Australiens.
Da stand ich also nun mit meiner Entscheidung. Melanie konnte mich leider nicht begleiten. Sie hatte selber einen Job und die Sprachschule konnte und wollte sie auch nicht sausen lassen.
Als ich auf der Farm ankam, verschlug es mir erst einmal die Sprache. Die Farm hatte ungefähr die Grüße von München. Aber wie wir bis hierhin schon gelernt hatten, ist in Australien eben alles etwas Größer.
Dann erfuhr ich, worin meine Arbeit in den nächsten Tagen bestehen soll: Lamb-Marking, zu deutsch Lammmarkierung. Und das ist eine ziemlich blutige Angelegenheit. Denn hierbei werden die Lämmer in eine Vorrichtung gespannt. Anschließend wird dem Tier eine kleine örtliche Betäubung gesetzt, markiert und dann der Schwanz abgeschnitten. Das soll die Überlebensrate der Lämmer erhöhen.
Ob es wirklich was nützt, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass das eine verdammt harte Arbeit ist und wenig Spaß macht. Wer mich kennt weiß, dass ich nichts mache, was mir keinen Spaß macht.
Ganze 4 Tage habe ich durchgehalten, bevor ich den Job wieder kündigte. Ich rief den Besitzer der Tomatenfarm an, auf der ich im Januar bereits war und machte mich auf den Weg.
Hier wollte ich jetzt meine restlichen 70 Tage für das second-year-Visa abarbeiten.
Zurück nach Melbourne
Die Tage vergingen schnell und ich hatte, wie auch schon im Januar, meinen Spaß. Hier war ich für diverse kleine Reparaturen verantwortlich. Doch das Glück hielt nicht lange an.
Mitte Juli bekam ich eine Nachricht von meinem Boss, dass er mich in 2 Wochen wieder bräuchte. Es gibt neue Aufträge. Da ich diesen Job auf keinen Fall verlieren wollte, war schnell klar, dass ich wieder zurück nach Melbourne fahren werde. Außerdem wurde es auch langsam mal wieder Zeit Melanie zu sehen.
Ich arbeitete ein paar Tage und hatte dann die Idee, mir einen Nebenjob zu suchen. Da der Juli nicht die Zeit für Backpacker ist, fand ich ziemlich schnell einen Job in einer Dönerbude als Lieferjunge.
In den darauffolgenden Tagen suchten wir nach einer geeigneten Wohnung in Melbourne, um uns ein wenig häuslich nieder zu lassen. Außerdem wurde es langsam zu kalt, um weiter in unserem Van zu leben. Eigentlich wollten wir uns anfangs etwas Eigenes suchen. Wir haben uns aber dann für eine WG entschieden, da bei einer eigenen Wohnung eine Mindestlaufzeit von 3 Monaten gilt. Und wir wollten uns auf keinen Fall zeitlich binden. Nach zwei Wochen haben wir eine schöne Wohnung in Toorak gefunden. Die ersten zwei Wochen hatten wir das komplette Haus für uns alleine. Danach sind noch 4 Engländer eingezogen. Aus und vorbei war es mit der Ruhe.
Es lief alles wie geschmiert. Meine zwei Jobs machten mir jede Menge Spaß, auch wenn es anstrengend war. Und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, bot mir mein Boss ein Sponsoring an. Das heißt, ich hätte eine langfristige Arbeitserlaubnis und Melanie könnte ebenfalls in Australien bleiben und arbeiten. Der einzige Haken ist, dass ich mich für 2 Jahre verpflichte, für diesen einen Arbeitgeber zu arbeiten. Danach könnten wir ein permanent-resident-Visum beantragen. Zudem sollte ich die Hauptrolle in der Firma spielen, was die Montage von Carports und Patios der Firma Stratco angeht. Außerdem sollten noch 1 – 2 Leute eingestellt werden, die mit mir arbeiten.
Das wäre natürlich eine große Chance und Herausforderung gewesen und ich hoffe gerade nur das ich diese Chance noch immer habe.
Dann kam der Mittwoch, der erst einmal alles änderte.
Drei Tage vor meinem letzten Tag als Dönerlieferant, wurde ich von einem Auto unsanft von meinem Roller geholt. Laut Polizei flog ich 15 Meter durch die Luft und landete mit einem offenen Knochenbruch im Oberschenkel und einem Bruch im unteren Bereich der Wirbelsäule im Krankenhaus.
Der 26.08.2015 wird jetzt wohl so etwas wie mein zweiter Geburtstag sein. Sogar die Ärzte meinten, dass ich viel Glück hatte und das bereits einige an den Verletzungen gestorben sind.
Um meinen Oberschenkel wieder in die richtige Position zu bringen, hatte ich einen Tag später –
Donnerstag – meine erste OP. Hierbei fand ein ziemlich langer Nagel den Weg in meinen Oberschenkel.
Es sollten noch zwei weitere Operationen notwendig sein, um meine Wunde endgültig zu schließen.
Die letzten Stunden habe ich viel Blut bekommen. All das, was ich vorher verloren hatte.
Momentan geht es mir ganz gut. Ich habe das Gefühl, in guten Händen zu sein. Melanie kommt auch so oft es geht vorbei. Außerdem gibt es noch 2 – 3 andere Leute, die sich toll um mich kümmern. Und die Nachrichten aus Deutschland geben mir zusätzlich Kraft und machen mir Mut.
Ich werde jetzt noch bis ca. Donnerstag im Krankenhaus bleiben müssen und danach geht es zur Reha. Wenn ich Glück habe, darf ich zur ambulanten Reha.
Und in 6 Wochen ist der Spuk hoffentlich vorbei und ich kann in meinem Job wieder voll durchstarten und wir bekommen schnellstmöglich das Sponsorvisum genehmigt.